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kopie b. losch 1981

Kirchzarten, OT Zarten, Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald, südl. Ortsrand, unmittelbar nordwestl. des Kreisels 'Höllentalstraße' (L 127), auf dem Grundstück des Reesenhofes, 'Bundesstraße Nr. 1'' an der Gichter- oder Kindleskapelle, Steinkreuz, Benennung: 'Schwedenkreuz'

Obertägige Maße: Höhe 0,80 m, Br. 0,56, T. 0,20, Steinkreuz aus Sandstein typisch gotischer Stilepoche - breitflächig, gedrungener Kreuzstand mit Balkenverbreiterung, relativ langer Schaft, der sich markant geradlinig verbreitert; auf dem Scheitel kerbartige Eintiefung, vermutlich das Resultat des mittelalterlichen Brauchtums Hieb- oder Stichwaffen an heiligem Gestein abzuziehen bzw. Schärfen, ein Aberglaube der vermeintlichen 'Kraftübernahme', s. Einf. (Verf.)

Ang. B. Losch, 1981: 'Standort: TK 8013 Freiburg im Breisgau-SO R 21680 H 15740, Flst. 457. Bei der sog. Kindlis- oder Gichter-Kapelle an der Straße nach Kirchzarten. Beschreibung: Sandstein. Mehrere, zum Teil tief eingeschnittene Schleifrillen auf dem Kopf. Maße: Höhe 0,80 m, Br. 0,30-0,34, T. 0,23, Form: Geschwungenes, leicht asymmetrisches Tatzenkreuz. Balkenlänge knapp, Querbalkenansicht betont. Balkenenden schwach konkav. (vgl. Freiburg II, Stadtkreis Freiburg im Breisgau) Datierung: ca. 15./16. Jh. Volkstümliche Überlieferung: An der Stelle der Kapelle (vermutlich von 1731) sei früher ein Brunnen gewesen, in den ein Hochzeitspaar oder ein Kind tödlich hinabgestürzt sei. Benennung: 'Schwedenkreuz' (Textkopie B. Losch 1981)

Das Sühnekreuz bei der Gichterkapelle am Resenhof in Zarten (Hermann Althaus)

Vermutlich das älteste Kreuz im Dreisamtal findet man am Reesenhof in Zarten. Das kleine, im Volksmund auch „Gichterkapelle" oder „Kindleskapelle" genannte weiße Kirchlein, kennen alle, die mit dem Auto von Kirchzarten nach Zarten fahren und dort auf die B 31 stoßen oder die mit dem Fahrrad auf dem Radweg links nach Freiburg fahren. Fast unscheinbar neben der Kapelle ragt, nur 8ocm hoch, ein kleines roh behauenes Steinkreuz aus dem Boden. Man nennt es ein „Sühnekreuz". Es ist sicher mehr als 500 Jahre alt.

Sühnekreuze geben einen Hinweis auf ein Verbrechen, auf einen Totschlag, wenn man den Täter gefaßt hatte. In dieser mittelalterlichen Zeit, als vielerorts noch das Recht des Stärkeren galt und die Messer lockerer saßen, glaubte man, daß die Seele des Erschlagenen keine Ruhe finden würde, daß sie als Irrlicht oder Gespenst solange herumirren würde, bis eine Bestrafung des Täters erfolgt sei und bestimmte Auflagen erfüllt seien. Die Partei des Täters wie des Opfers einigte sich - oft über dem Grab des Erschlagenen - auf eine weltliche und vor allem kirchliche Buße, die auch zur „Entsühnung" des Täters und zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft führen sollten. Die weltliche Buße bestand aus genauen Hinweisen auf eine materielle Entschädigung für die Witwe oder deren Kinder als Wiedergutmachung, vor allem aber auch aus dem eigenhändigen Schlagen eines solchen „Sühnekreuzes" aus einem schweren Natursteinbrocken.

Die kirchliche Buße umfaßte beträchtliche Auflagen, um die Seelenruhe des Getöteten sicherzustellen. Zunächst mußte das „Seelgerät" ausgehandelt werden. Es umfaßte -je nach sozialem Stand des Getöteten- eine bestimmte Zahl von Seelenmessen mit genauer Angabe der Zahl der Priester oder der zu brennenden Kerzen, schließlich wurde noch eine Wallfahrt gefordert, die meist nach Einsiedeln, Aachen oder auch Santiago de Compostela führten konnte. Kehrte der Pilger nach längerer Zeit zurück, war meist „Gras über die Sache gewachsen", und er galt in seinem Umfeld als entsühnt.

Aus den Unterlagen im Freiburger Stadtarchiv (A 1 VIII) kennt man aus Zarten einen Prozeß wegen eines Totschlags aus dem Jahre 15o8, der vom Vogt und 24 „Urteilsprechern" aus dem Gebiet der ganzen Talvogtei in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt und von den Talpflegern Gilg Haas und Hans Göllin gesiegelt wurde. (vgl.Gesch. d.Stadt Freiburg, II, S.242).
Hier wird unter dem 1o.Oktober 15o8 berichtet von der „Tödtung" des Hans Schneider von Rechtenbach durch Conrad Mörlin von Stegen, „welche That zu Zarten verübt worden ist".. Das Urteil der Männer lautete zunächst auf Todes- strafe, weil er „den gemelten Hannsen Schnider sälig..vom leben zum tot gebracht hett. Darumb (soll er)..nach der Heiligen rechts verbrennt (werden) und (entsprechend) disem schuldspruch"; er soll „ mit sinem Lib und Leben bessern (=büßen ) und Bar gegen Bar (= Totenbahre ) gericht werden."
Das Urteil wurde dann dahingehend geändert, wenn der Täter gelobt, daß er für „Hans Schniders säligen sele und allen gläubigen selen ein ewig Jahrzit "stiften würde „drissig messen und by solchen messen drissig halb pfundig Wachskerzen" und wenn er 1o Pfund Pfennige für eine Jahrzeit mit 5 Priestern in die Pfarrkirche zu Kirchzarten" verspricht, außerdem 2 Wallfahrten, nach Einsiedeln und „gen Ach" (= Aachen), unternimmt, „und allweg von jedem ortt glaubwürdig versigellt Urkunde bringen und daselbst den Freunden zeigen und überantworten.".
„Item Connratt Möhlin soll auch „ein steinern kreuz an die Straße zu Zarten" uff sinen costen in Jahresfrist machen und uffrichten lassen" und den Hinterbliebenen „unerzogenen Kindern zwanzig guldin an gold" zahlen.

Ein ähnlicher Fall vom Vogtgericht in Zarten ist aus dem Jahr 1524 registriert. Beim Sühnekreuz am Reesenhof müßte es sich demnach um das im obigen Urteil erwähnte Steinkreuz handeln, so daß man es mit der Jahreszahl 15o8 (oder 1524) in Verbindung bringen darf.

Daß die „Sühnekreuze" nie den Namen des Steinmetzen tragen, ist sehr verständlich. Manchmal allerdings geben sie einen Hinweis auf den Erschlagenen, indem ein Pflug oder ein Rebmesser darauf abgebildet wird. Natürlich rankten sich im Laufe der Jahre viele Legenden und Spukgeschichten um solche Steinkreuze, um Mitternacht treibe der Teufel hier noch immer sein Unwesen. Man schrieb diesen Kreuzen deswegen oft eine magische Bedeutung zu. Oft schabte man daran und mischte abergläubisch ein wenig vom Steinmehl unter die Speisen, um bestimmte Krankheiten zu heilen, eine Tatsache, die uns „aufgeklärten" Zeitgenossen heute eben „mittelalterlich" erscheint.

Kaiser Karl V., der Mann vor dem sich Martin Luther verantworten mußte, erließ im Jahre 1532 eine neue „peinliche Halsgerichtsordnung" ("Constitutio Criminalis Carolina"), die für das ganze Reich einheitliche Rechtsverordnungen enthielt und die Bestrafung von Verbrechen in die Hand des Staates legte. Dadurch entfiel allmählich auch die Forderung nach der Aufstellung von Sühnekreuzen. Die Gewohnheit, an Wegkreuzungen oder Schicksalsstätten steinerne Hochkreuze zu errichten, erhielt sich jedoch.

Außer dem Sühnekreuz von Zarten findet man in Breitnau (am Windrad), in St.Märgen (am Ende des Römerweges), in Freiburg (das „Bischofskreuz": Metzger Hauri erschlägt 1299 den Bischof von Straßburg!) und in Ebringen (schwere Auseinandersetzung am Kirchweihfest von 1495 mit Freiburger Burschen ! ) solche Sühnekreuze. Bis ca. 1955 habe am Pfisterhof in Burg am Wald ein solches Kreuz gestanden. Es sei über Nacht gestohlen worden. (Quelle: Aufsatz v. Hermann Althaus, Dreisamtäler, 25.11.2000)

Quellangaben: Bildquelle: 2 Fotos v. Gunter Marx, Löhne, Lit.: 1. Bernhard Losch, Sühne und Gedenken - Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981, S. 225, Kirchzarten, Ortsteil Zarten m. abb. 377 (Kopie), S. 48, daraus: 2. Otto August Müller, Bestandsaufnahme der Steinkreuze in Mittelbaden, in: Die Ortenau 25, 1938, S. 179, Nr. 154, 3. Joseph Ludolf Wohleb, Sühnekreuze. Eine Umfrage, in: Schauinsland 64, 1937, S. 199; 4. Bernhard Losch, Steinkreuze in Südwest-Deutschland, Volksleben 19, Tübinger Verein für Volkskunde e.V. Tübingen, Magstadt 1968, S. 26/36; 5. Aufsatz von Hermann Althaus (Textkopie), in: Dreisamtäler 2000, s.a. Kreuze, Bildstöcke, Grenzsteine im Dreisamtal 2002

Internet: 1. ...kath-dreisamtal.de-wer-wir-sind-die-pfarrgemeinden-kapellen-stegen-gichterkapelle-zarten

verschwundene Steinkreuze:
 
Kirchzarten, OT Burg, Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald
'An der Ibentalstraße, ca. 150 m nördl. vom Pfisterhof. Gestohlen 1967' (Textkopie B. Losch 1981)
Quellangaben: Lit.: 1. B. Losch, 1981, S. 228, Kirchzarten, Ortsteil Burg, daraus: 2. Mitt. von Rektor Josef Schneider, Freiburg 1968

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