Teil 1

Das Brauchtum Steinkreuze zu setzen, einschließlich der Art- und Sinn- verwandten Objekte wie Holzkreuze, Kreuzsteine, Mordsteine und Erinnerungssteine, - kreuze findet seinen Ursprung in frühzeitlicher heidnischer Epoche. Es ist die Fortsetzung und damit die Weiterentwicklung uralter Totenkulte der Steinzeit des heutigen europäischen Raumes. Man setzte den Toten Holzpfähle und Steine um der ‘friedlos umherirrenden Seele’ einen festen Ruheplatz zu geben, schuf damit Ort und Gegenstand zur Ahnenverehrung und zur Darbringung von Totenopfern. Jene Örtlichkeiten wurden zu heiligen Plätzen, zu Versammlungs- und Gerichtsstätten. Die Hauptlinien dieser Entwicklung waren zweifellos die Megalithkultur, mit ihren Zentren in der Bretagne aus der die Menhire hervorgingen und die Bautasteine der nordländischen Kulturen. Diese heidnischen Steine bildeten die Reflexion für das aufkommende Christentum, das mit der Kreuzform eine neue Ära von Totenmalen einleitete. Mit wenigen Ausnahmen sind Steinkreuze dieser Zeit Totenmale. Die Wende vom Heidentum zum Christentum zeichnet sich durch ein Umarbeiten heidnischer Steine in christliche ab, bevor man daran ging eigenes Gestein zu bearbeiten. Das nachweislich markanteste Beispiel hierfür ist wohl das 3,50 m hohe ‘Fraubillenkreuz’ von Ferschweiler bei Trier, das ein Menhir war (Verf.)

lat. kreuz kreuzstein kreuzstein griech. kreuz erinnerungsstein

1. Lateinisches Steinkreuz, weitverbreiteste Kreuzform, 2. Kreuzstein, typische Form, eingemeißeltes Kreuz, 3. Kreuzstein, mit rundem Oberteil, 4. Kreuzstein, griechisches Kreuz, breitrandig, wobei es einige abgewandelte Formen gibt, 5. Erinnerungstein, meist rechteckige Platten mit Inschrift

In klösterlichen Archiven existieren Aufzeichnungen und Berichte über erste christliche Missionare, die in heidnische Steindenkmale Kreuze einmeißelten und somit die Vorgänger der Kreuzsteine schufen. In frühchristlicher Zeit jedoch erfährt der Sinn und Zweck von Stein- und Holzkreuzen eine erhebliche Erweiterung. Bereits um das Jahr 800, als Karl der Große das Christentum verbreitete, ist das Vorhandensein des Kreuzes am Weg eindeutig nachgewiesen. In der Folgezeit erhoben sich Steinkreuze an den verschiedentlichsten Plätzen, wie an Kreuzungen wichtiger Fernstraßen oder in der Nähe von Weggabelungen unweit von Ortseingängen, sowie richtungsweisend auf erhöhter Flur. Die Frage ob es immer Totenmale waren lässt sich nach heutigen Erkenntnissen nicht eindeutig beantworten. Manchmal standen Kreuze auch an den Grenzen weltlicher und kirchlicher Gebietsbereiche wie Bischofssitze, Fürstentümer oder Stadtgebiete. Hierbei wird die Auffassung vertreten, dass Opfer von Totschlägen der näheren Umgebung heimlich von den zuständigen Ämtern auf diesen Grenzen abgelegt wurden, um somit die Verantwortung auch auf den Nachbar zu verlagern. Weiterhin war es Brauch bei Gründungen von Klöstern als erstes am festgelegten Ort ein Holzkreuz einzuschlagen. Später, im ausgehenden Mittelalter nach einer Order des Konzils von Trient 1545, mussten an der Stelle aufgegebener Gotteshäuser, am Platze des Hochaltars, Steinkreuze gesetzt werden. Wohl ist dieser Brauch bereits schon vorher ausgeübt worden, was heute noch existierende Kreuze an ehemaligen Standorten von Kirchen und Kapellen vor dieser Jahreszahl beweisen. Zuweilen finden sich an einer Stelle mehrere Steinkreuze, gewiss muss eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit in Betracht gezogen werden, doch in den meisten Fällen wurden sie angesammelt. Kreuze unbekannter Fundorte brachte man meistens an die Ortskirchen oder stellte sie eben neben anderen in der Flur auf, wenn es vermeintlich sichere Plätze waren. Im Zuge des Ausbaues der alten Landwege und Straßen war oft einfach kein Platz mehr, ein wichtiger Faktor für das Umsetzen an andere Standorte und das gänzliche Verschwinden vieler Kreuze, was in heutiger Zeit nur schwer zu klären ist. Hierbei geben meist die Ortschroniken, sowie Kirchenbücher wertvolle Hinweise auf ehem. Flurnamen  wie ‘am Steinkreuz’ oder ‘bei den Kreuzsteinen’ usw. In den Zeiten von Reformation und den Glaubenskriegen wurde so manches Objekt gezielt Opfer von Beseitigung und Zerstörung, doch auch der Volksaberglaube trug nicht unwesentlich dazu bei (Verf.)

mordzeigestein beischlagswange beischlagswange skizze kreuzungsfeld skizze kreuz elemente

6. Mordzeigestein, immer mit Inschrift, 7. Beischlagswange, 8. Beischlagswange, 9. Skizze Kreuzungsfeld 10. Skizze lat. Kreuz mit gerundeten Enden: K = Kopf, A = Kreuzarm, S = Schaft, F = Basis, Fuß, untertägig, 1 = Sektorenwinkelstütze mit Radius im Scheitelpunkt des Kreuzwinkels, 2 = Winkelstütze mit Radius im Mittelpunkt des Kreuzungsfeldes, 3 = Stütze, konkav, 4 = Stütze, geradlinig

So ist es nicht verwunderlich das alte Steinkreuze einfach ein zweites oder drittes Mal irgendwo an der Stelle eines Geschehens gesetzt und sogar später mit Inschriften versehen wurden. Genauso verhält es sich dabei mit den Sagen und Legenden, die sich um die Kreuze ranken, die der Volksmund von Generation zu Generation weitergegeben hat. Sehr selten, wenn überhaupt, ist vielleicht bei jüngeren Steinen ein wahrer Kern der Sage erhalten geblieben, doch bei älteren Stücken ist wohl die Überlieferung des Geschehens ein Werk der Phantasie des Volksmundes. Man spricht auch hier von den sogenannten Wandersagen. Die merkwürdige Eigentümlichkeit der Legenden des gegenseitigen Umbringens z.B. der Schäfer um das Weideland, der sich begegnenden feindlichen Rittern, der Bauern im Streit um die Ackergrenzen scheint, in der für das Volk schwer zu deutenden, außergewöhnlichen Erscheinung des Steinkreuzes am Wege, seine Erklärung zu finden. Das Außergewöhnliche musste eine ebensolche Geschichte haben. Im Mittelalter schrieb man Sühnemalen übernatürliche Kräfte zu, es entwickelten sich eigentümliche Sitten und Bräuche. Abgeschabtes Steinmehl mischte man Speisen und Arzneien bei, im Glauben an die Heilwirkung gegen Gebrechen und Krankheiten aller Art. Diese Abriebsstellen sind heute noch als näpfchenförmige Vertiefungen nachweisbar. Des weiteren lassen sich oft lange, wie Einschnitte wirkende Rillen auf der Steinoberfläche beobachten, sie sind über längere Zeiträume entstanden durch das Abziehen der Klingen der mittelalterlichen Hieb- und Stichwaffen zum Zwecke des Schärfens und der Übernahme übernatürlicher Kräfte. Einer weiteren Aktivität gleichen Sinn und Zweckes mussten sich vor allem die Kreuzsteine aussetzen, die sich schon durch ihre Form dafür anboten, man wetzte die Klingen der Waffen über den halben Kopfteil, was partielle sowie deformierende Schäden erzeugte. Spuren derartigen Brauchtums finden sich auch an anderem heiligen Gestein, an den Eingangsportalen alter Kirchen und Klöster, ein markantes Beispiel hierfür ist das Hauptportal des Kloster Loccum, Lkr. Nienburg, Weser

Mit dem Erscheinen des sogenannten Sühnekreuzes und dem von der Kreuzform abweichenden Kreuzstein, etwa im 13 Jh., kann wieder im eigentlichen Sinne vom Totenmal gesprochen werden, weil diese Objekte Bestandteil des sog. Sühnevertrages waren und an der Stelle einer Bluttat gesetzt werden mussten. Verträge dieser Art sind im Prinzip weiterentwickelte Fortsetzungen der germanischen Blutrache, später Blutsühne, wo es einem Totschläger, Mörder möglich war durch einen Vertrag mit der gegnerischen Sippe Sühne leisten zu können, wenn es ihm gelang sich vorerst zu entziehen. Wurde man seiner im Zuge der Tat habhaft, hielt man sofort Gericht, was den Tod bedeuten konnte. Bei beiderseitigem Einverständnis war darin sogar Aussöhnung sowie die Rehabilitationsleistungen des Täters festgehalten. Meist waren dies Geldbeträge oder Sachwerte zur Entschädigung der betroffenen Sippen aber auch Verpflichtungen zu Wall- und Betfahrten. Größe und etwaige Form des Sühnekreuzes war gelegentlich im Vertrag gefordert, im Durchschnitt zwischen 80 und 150 cm, jedoch  das Einarbeiten von Jahreszahlen, Namen oder Wappen ist äußerst selten geschehen. Aus diesem Grund ist es sehr schwierig das wirkliche Alter eines Stückes zu bestimmen. Als 1532 die Halsgerichtsordnung  Kaiser Karl V. zur Anwendung kam, wurde damit der privaten Sühne die Rechtsgrundlage entzogen und öffentliche Gerichte behandelten fortan auf der Basis des römischen Rechtes jegliche Totschlagsdelikte. Das Sühnekreuzbrauchtum endete, nicht aber der auch schon seit dem 13. Jh. gepflegte Brauch der Erinnerungskreuze und - Steine, die jedoch auf freiwilliger Basis der Angehörigen, im christlichen Sinne gesetzt wurden. Kreuze mit abweichender Bedeutung sind Pestkreuze und Bonifatiuskreuze Sie wurden in Zeiten der Pest an Pestfriedhöfen oder zum Schutze aufgestellt. Als Bonifatiuskreuze werden viele Kreuze, vor allem im hessischen Raum gedeutet, einmal sollen sie die Örtlichkeiten markieren wo der Heilige predigte, taufte oder Gottesdienste abhielt. Zum anderen stünden sie bezeichnend der Rast- und Haltepunkte des Leichenzuges, als man 754 den Leichnam des Bonifatius von Mainz in das Kloster Fulda überführte. 

Steinkreuze sind immer aus einem Steinblock, als ganzes Stück, heraus gehauen worden und äußerst selten geben etwaige Initialen oder Zeichen Hinweise auf den Steinmetz. Durch Beschädigung oder gar Zerbrechen trifft man heute zuweilen geklammerte oder zusammengesetzte restaurierte Objekte an. Überwiegend kam regional anzutreffendes Gestein zur Verwendung, wie am häufigsten Sand- oder Kalkstein, Granit und Basaltlava. Längst sind nicht alle Fragen dieser Thematik beantwortet, vieles liegt noch im Dunkel, unterliegt widersprüchlicher Auffassung, Ansporn genug zur weiteren Forschung !

Beischlagswange, Mordwange: Die Mordwange, auch als freistehendes Flurdenkmal, geht aus der sog. Beischlagswange hervor; sie wurde genau wie das Steinkreuz oder der Kreuzstein an der Stelle einer Mordtat gesetzt und ist in ihrer Form ein typisches Sühnemal des Nord-, häufiger aber, Nordostdeutschen Raumes. Beischlag: Terrasse mit Brüstung und Freitreppe in der gesamten Breite des Hauses an der Straßenseite, ersetzt im Ost- und Nordseeeraum den Garten des Stadthauses und schützt Erdgeschoss und Hauseingang mit Diele vor Hochwasser. Wange: mit Familienwappen, Hausmarken, Handwerkerzeichen und auch religiösen Darstellungen verzierte hohe Steinstelen, meist mit runden Oberteil, paarweise an Treppenaufgängen des Beischlages aufgestellt oder an den Seiten dortiger Ruhebänke. Oft sind die Oberteile mit Schmuckohren besetzt, s. Mordwange von Sülsdorf, MV, Lkr. Nordwestmecklenburg (Verf.)

Teil 2

Darstellung von Schwert oder Beil (Axt): Das Schwert, wie auch das Beil (Beil, Zeichen für die Todesstrafe) ist ein Symbol des mittelalterlichen Hochgerichts oder Blutgerichtes. Vermutlich bezeichneten Sühnesteine mit derartiger Symbolik, am ursprünglichen Standort, jene Gerichts- bzw. Richtstätten, sowie die Grenzen der Gerichtsbarkeit oder wurden als freistehendes Flurdenkmal an die Stelle eines todeswürdigen Vergehens gesetzt, das durch das Hoch- oder Blutgericht verhandelt und bestraft wurde. Der  weitverbreitete Volksglaube, dass Schwert und Beil die dargestellten Tatwaffen eines Tötungsdeliktes sind, ist in einigen wenigen Fällen nicht auszuschließen, doch aus empirischer Betrachtungsweise in Frage zu stellen: Warum wird nur Schwert und Beil sehr häufig auf Sühnemalen dargestellt, sollen immer nur diese beiden Waffen die Tatwaffen gewesen sein, obwohl es sehr viele andere mittelalterl Waffen gab ? Warum unterliegen die Darstellungen einer unverkennbaren einheitlichen Konzeption, hinsichtlich Anordnung, und Ausdruck ? (Beurteilung des Verf.)

Blutgericht, Hochgericht: Die Blutgerichtsbarkeit, auch als ‘ius gladii’ (Recht des Schwertes) oder Hochgerichtsbarkeit bekannt, war im Mittelalter im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die peinliche Gerichtsbarkeit über Straftaten, die mit Verstümmelungen oder mit dem Tode bestraft werden konnten, also ‘blutige Strafen’ waren (‘straffen biss ann das blut’ oder ‘straffen, so an das blut gandt und das läben kostendt’). Das Wort ‘peinlich’ bezieht sich auf das lateinische ‘poena’, das übersetzt ‘Strafe’ bedeutet.
Dies waren vor allem Straftaten wie Raub und Mord, Diebstahl, Notzucht, Homosexualität, Hexerei oder Zauberei oder Kindesmord. Die Hinrichtungformen bei einem Todesurteil unterschieden sich jeweils nach dem Verbrechen (z. B. für Kindesmörderinnen das Ertränken oder für Notzucht der Feuertod oder das Rädern bei Mord). Bei Straftaten, die durch Verstümmelung gesühnt werden sollten (sog. lybstraffen), gab es unterschiedliche Strafformen, wie das an den Pranger stellen, Abschneiden, Anschneiden von Körperteilen (z. B. Ohren, Zunge), Schwemmen, Auspeitschen oder Brandmarken. Straftaten wie Beleidigungen oder Raufereien blieben den niederen Gerichten zuständig, die nicht ‘blutige Strafen’ verhängen durften, sondern nur Geldbußen, Gefängnishaft, auf Ehrlosigkeit bekennen oder Verbannen durften. In der Regel wurden vor allem (besitzlose) Landstreicher, Kleinkriminelle und Menschen aus der sozialen  Unterschicht zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde dann oft aufgrund der öffentlichen Abschreckung in der Öffentlichkeit vollzogen. In vielen ländlichen Gegenden wurden die Gehängten auch lange Zeit als Abschreckung vor Fremden gut sichtbar am Galgen gelassen. Die Blutgerichtsbarkeit wurde von den jeweiligen Herrschern an ausgewählte Gerichtsorte verliehen und untermauerten den Machtanspruch der jeweiligen Stadt. Auf Dorf- und Stadtebene gab es meist nur die Gerichte der Gutsherren oder die Gerichte der niederen Gerichtsbarkeit. Da die Freie Reichsstadt einem Fürstentum praktisch gleichgestellt war, hatte auch sie das Recht auf die Hohe Gerichtsbarkeit. Die Blutgerichtsbarkeit wurde vor allem durch die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) Kaiser Karls V. von 1530 (auch peinliche Halsgerichtsordnung genannt) reformiert und vereinheitlich. Diese galt zwar subsidiär, d.h. wurde nur herangezogen, wenn das eigene Landesrecht keine entsprechende Regelung kannte, dennoch führte sie zu Vereinheitlichung der Kriminalprozesse. Im deutschen Raum (inkl. Teile der Schweiz und Österreich) war die Blutgerichtsbarkeit noch teilweise bis ins 18. und 19. Jahrhundert verbreitet und wurde erst durch die Nationalisierungs- und Kodifikationstendenzen der einzelnen Herrschaftsgebiete durch eigentliche Strafgesetze wie wir sie heute kennen ersetzt, z. B. in Preußen oder Bayern. Quelle: Artikel aus der freien Enzyklopädie Wikipedia, unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

Feme, Vehmgericht: Das Wort ‘Feme’ ist seit dem 13. Jahrhundert sicher belegt. Es soll sich um ein mittelniederdeutsches Wort mit der ursprünglichen Bedeutung ‘Vereinigung, Bund, namentlich Bund der zum gleichen Gericht gehörenden Freien’ handeln. Zugleich wird es auch als Bezeichnung für den Landfrieden verwendet. Nach einer anderen Auffassung soll Feme ein Wort für ‘Strafe’ gewesen sein. Im späten Mittelalter entwickeln sich folgende mit ‘veme’ zusammengesetzte Begriffe mit Bezug zur Strafvollstreckung: vemer, vememeister als Umschreibung für den Nachrichter oder Henker, vemen für verurteilen, strafen, vemestat für Richtstätte. Weitere Bezeichnungen der Gerichte sind: Femgericht, Femegericht, vemedinc sowie ‘Freigericht’ oder ‘Freistuhl’ (seltener: Vehmgericht, Fehmgericht, Vehmic Gerichte, Vehm oder die heilige Vehme). Die Feme- oder Vehmlinde, meist große alte Bäume unter denen Gericht gehalten wurde. (Quelle: s.o.)

Quellangaben: 1. allgemeines Lexika, 2. Fachliteratur, 3. Beurteilung des Verfassers

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