steinkreuz katholisch willenroth standort filialkirche st. elisabeth andere seite

Bad Soden-Salmünster, OT Katholisch-Willenroth, Main-Kinzig-Kreis, Südostecke Filialkirche St. Elisabeth im Mauerwinkel zwischen Turm und Schiff, ‘Franzosenkreuz’

Obertägige Maße: Höhe 0,75 m, Br. 0,70, T. 0,24, das oberseitig durch Abschläge bzw. Abschürfungen beschädigte Steinkreuz aus Buntsandstein weist auf der Ansichtsseite am Schaft mehrere markante Wetzrillen auf, die durch das Abziehen (schärfen, auch symbolisch) mittelalterlicher Hieb- oder Stichwaffen entstanden sind, s. Einf. (Verf.), darüber die eingehauene Jahreszahl ‘1551’, darüber plastisch ausgearbeitet ein längliches kreuzweise gebundenes Gebilde (Lit. H. Riebeling: ‘ähnlich einem Sauspieß’), darüber ‘die eingeschlagene Inschrift ‘ANHELT’ (Lit. F. K. Azzola)

die Rückseite zeigt im Kreuzungsfeld ein Wappen im Relief mit wiederum erhöhter Kreisscheibe, die nach F. K. Azzola als Brotlaib gedeutet wird, wobei keine Zeichen mehr erkennbar sind; der Schaft, auf dieser Seite zurückgesetzt, geht in eine rechteckige Basis in Linie der Kreuzarme über, s. Draufsicht (Verf.)

das Denkmal stand früher auf der ‘Bornwiese’ als Eckgrenzstein eines Ackers, 1934 dort ausgegraben und auf dem Gehöft von Herrn Bös aufbewahrt; nach der Sage soll ein Franzose auf dem Rückzug 1813 an alter Stelle begraben worden sein (Lit. H. Riebeling)

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Das Steinkreuz des Bäckers (?) und Jägers ANHELT von 1551 außen in der nordöstlichen Ecke der Kirche von Katholisch-Willenroth                                                   Aufsatz von Friedrich Karl Azzola, 2003 (die angeführten Abbildungen 2/4//6 hier nicht publiziert)

Außen in der nordöstlichen Ecke der Kirche von Katholisch Willenroth steht ein Steinkreuz, das durch drei Attribute - eine Inschrift, ein horizontal angeordnetes und in einem erhabenen Relief ausgeführtes Zeichen sowie eine Jahreszahl - ausgezeichnet ist (Abb. 1). Dieses Steinkreuz diente einst als Eckgrenzstein eines Ackers in der Bornwiese. Im Jahr 1934 wurde es ausgegraben, zunächst in einem Gehöft aufbewahrt und schließlich in der nordöstlichen Ecke der Dorfkirche neu aufgestellt. An seinem einstigen Standort wäre ein Franzose nach der Retirade von 1813 begraben worden, weshalb es auch Franzosenkreuz genannt wird (Heinrich Riebeling, Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, Dossenheim/Heidelberg, 1977, Seiten 150-151 unter der Nummer 5622.1 mit einer Abbildung auf der Seite 221. - Albert Fehl/Albin Anhalt: ‘Steinkreuze im Bergwinkel, in: Unsere Heimat. Mitteilungen des Heimat- und Geschicvhtsvereines Bergwinkel e.V. Heft 17 Schlüchtern 2001, S. 23-40, insbes. die S. 27-28. In beiden Publikationen zahlreiche Literaturverweise). 

Dies dürfte jedoch eine Wandersage sein, denn laut Inschrift erinnert das Kreuz an ein Geschehen im Jahr 1551. Es ist demnach ein Gedenkkreuz für einen unversehen umgekommenen, also nicht mit dem Sterbesakrament ausgestatteten Menschen namens ANHELT. Vom T als dem letzten Buchstaben des Namens ist nur noch das untere Ende erhalten. Das horizontal in Flachrelief erhaben ausgeführte Zeichen (Abb. 1) ist eine Saufeder, möglicherweise sogar ein Bärenspieß (Bernd E. Ergert, Leiter des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums in München, mit Schreiben vom 27. 2. 2003). Diese Saufeder bzw. dieser Bärenspieß ist von zwei Lederriemen umwickelt, die sich diagonal kreuzen, wie man auf der Abbildung 1 trotz aller Verwitterung noch gut erkennen kann. Die Spitze der Saufeder/des Bärenspießes ist nach rechts gerichtet doch leider gänzlich zerstört. Zu besseren Verständnis ist Abb. 3 dem Triumphzug des Kaisers Maximilian I. von 1516/18 entnommen(Gerhard Seifert: ’Der Hirschfänger’, Schwäbisch Hall 1973, S. 42, Abb. 44) Das Bild zeigt vier mit Waidmessern und Bärenspießen bewaffnete Jäger, deren Spieße ebenfalls in Längsrichtung von Lederriemen umwickelt sind. Das Steinkreuz der Abb. 1 erinnert demnach an einen Jäger namens ANHELT, der im Jahr 1551 bei einer Sau- oder Bärenjagd unversehen tödlich verunglückte.

kopie lit. f. k. azzola 2003 abb. 1
kopie lit. f.k. azzola 2003 abb. 3

Die Rückseite des Steinkreuzes (Abb. 2) zeigt ein Wappen, dessen kreisrundes Zeichen zwar an ein Rad erinnert, doch ein Rad kann es nicht sein, denn es ist flächig in einem erhabenen Flachrelief ausgeführt. Bei einem Rad wären nur der Radkranz, die Speichen und die Nabe erhaben. Leider ist die Scheibe arg verwittert und beschädigt, wie die Abb. 4 zeigt, weshalb sie sich nicht mehr sicher als historisches Bäckerzeichen interpretieren läßt. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kann nämlich mit der Scheibe ein Brotlaib gemeint sein. Im 14. Jahrhundert wurde ein in Stein gehauener Brotlaib noch als Kalotte ausgeführt, Abb. 5 (Die Deutschen Inschriften 23. Band, Mainzer Reihe 1. Band: ‘Die Inschriften der Stadt Oppenheim ‘ gesammelt und bearbeitet von Siegrid Düll. Wiesbaden 1984, S. 7, Inschrift Nr. 7), erst später als flache Scheibe, Abb. 6  (Friedrich Karl Azzola: ‘Das spätmittelalterliche Steinkreuz an der Kirche von Großen-Buseck und der Grabstein des Erasmus Junghin/Junghelm, 1683-1700, vom Alten Friedhof, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereines Giessen NF 79. Band, 1994)

kopie lit. f. k. azzola 2003 abb. 5 brotstein

Gegen eine sichere Datierung der Scheibe als Brotlaib spricht die erhaben ausgeführte doch stark verwitterte Wulst an ihrer Peripherie. Eine Brot-Scheibe mit einer erhabenen äußeren Wulst ist bisher nach meiner Kenntnis nirgendwo belegt, doch man kann zugleich die Scheibe anders denn als Brotlaib nicht interpretieren. Sollte mit der leider arg verwitterten und mechanisch beschädigten Scheibe ein Brotlaib gemeint sein, so wäre ein örtlicher Bäcker namens ANHELT im Jahr 1551 bei einer Sau- oder Bärenjagd tödlich verunglückt und unversehen verstorben. Nach dem Glauben jener Zeit befand sich seine Seele deshalb in einer besonderen Notlage: sie war eine ‘arme Seele’. Die Sorge insbesondere um die ‘armen Seelen’ war damals den Lebenden aufgetragen. Das Steinkreuz der Abbildungen ! und 2 wurde demnach nicht zur Erinnerung an einen bei der Sau- oder Bärenjagd Umgekommenen errichtet, sondern es forderte an seinem ehemaligen Standort die Vorübergehenden auf, stehen zu bleiben und vor dem Denkmal für die ‘arme Seele’ des unversehen Umgekommenen Fürbitten zu beten. Das Steinkreuz diente somit zugleich der außerliturgischen Memoria. Um der erwünschten zahlreichen Fürbitten willen muß das Steinkreuz zuerst an einem viel begangenen Weg gestanden haben. Als die Erinnerung an das Geschehene des Jahres 1551 verblaßt war und auch niemand mehr wußte, weshalb man überhaupt im späten Mittelalter Steinkreuze errichtete, hatte man es von seinem einstigen Standort entfernt und an ganz anderer Stelle als Eckgrenzstein eines Ackers gesetzt. Demnach diente das Steinkreuz des Bäckers (?) und Jägers ANHELT aus dem Jahr 1551 in Zweitverwendung als Grenzstein eines Ackerrains

Quellangaben: Lit.: 1. Heinrich Riebeling, Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, Dossenheim/Heidelberg 1977, S. 150-151, Nr. 5622.1 m. Abb. u. Die alten Steinkreuze im Kreis Gelnhausen, 1972/73, S. 1-41 u. Von Steinkreuzen und Kreuzsteinen, HJ Gelnhausen 1973, S. 37, 2. Friedrich Karl Azzola, Das Steinkreuz des Bäckers (?) und Jägers Anhelt von 1551 außen in der nordöstlichen Ecke der Kirche von Katholisch Willenroth (2003), in: Unsere Heimat, Heimat- und Geschichtsverein Bergwinkel e.V. Schlüchtern, Bd. 19 (2003) S. 30-35 m. Abb. 1-7, daraus obige Kopien u. Lit.-Hinweise (F. K. Azzola Publikationen unter Rubrik Literatur)

verschollene Objekte: Kath.-Willenroth, ein Steinkreuz soll etwa 1 km nordwestl. vom Ort am Wege zum Gut Schönhof gestanden haben (Quelle: H. Riebeling, 1977, s.o. S. 151, Nr. 5622.3, daraus: 2. Mitt. Dr. Lindemann, Gelnhausen)

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